Umgang mit der Angst – eine Buchbesprechung

Lesezeit: 5 Min.

Umgang mit der Angst von Michiaki und Hildegard Horie

Wie soll man bei sich mit dem Problem umgehen, dass man immer und immer wieder Angst bekommt? Wie kann man anderen helfen, die eine regelrecht chronische Angst entwickelt haben? Diesem Problem gehen die beiden Autoren - ein gläubiges Ehepaar - auf den Grund. Sie entlarven eine Reihe von verschiedenen Verhaltensweisen im Leben von Menschen, Eltern, Müttern, Vätern, Kindern, Schwiegereltern usw. als Folgen von Überängstlichkeit. Man kann zum Beispiel Angst vor Verantwortung haben und dies unter einem sehr ansehnlichen Mantel von rationaler Vorsicht verbergen.

Dass Angst ein großes Problem in unserem Leben darstellt, kann man am Versicherungsmarkt feststellen. Wer hat nicht eine Reihe von Versicherungen abgeschlossen, die nicht verpflichtend, lebensnotwendig sind? Am Ende zahlen wir - im Durchschnitt - alle drauf. Davon lebt die Versicherungswirtschaft ganz gut. Und sie lebt von unseren Ängsten, die man ohne große Anstrengung schüren kann.

Auf Seite 19 ihres 103 Seiten umfassenden, eng beschriebenen Buches erklären die Eheleute Horie Angst. Der Begriff komme aus dem Lateinischen „angustia" und bedeute so viel wie Enge, Bedrängnis. Auch im Griechischen „angschein" klinge schon das deutsche Wort Angst mit. Es wird unter anderem übersetzt mit würgen, drosseln. Angst spreche in erster Linie unser Gefühl an. „Wörter wie Schrecken, Grauen, Entsetzen, Bangen, Schauder, Furcht lösen in uns ein bestimmtes, negatives Gefühl aus, ein Empfinden der Enge, der Beklemmung." Angst sei ein natürlich Trieb, welcher der Selbsterhaltung diene. Denn ohne Angst liefen wir ungeschützt in Gefahrensituationen hinein. Daher ist Angst ein Selbstschutzmechanismus unserer Körpers.

Nach einem Kapitel, das die Vorgänge in unserem Nervensystem beschreibt, wenn wir Angstzustände erleben, wird der Zusammenhang von Angst und Krankheit erklärt. Beispielsweise können endogen ausgelöste Depressionen auch zu Angstzuständen führen, genauso wie exogene Psychosen. Nicht jede Angst ist also in diesem Sinn seelischer Natur, dass man selbst durch ein verändertes Verhalten daran etwas ändern könnte.

Danach beschreiben die Autoren verschiedene Arten von Angst, ohne dass sie damit ausdrücken wollten, dass es keine anderen Arten von Angst gäbe. Sie sprechen über:

  • krankhaft übersteigerte Angst (Phobie)
  • Angstneurose (Herzneurose)
  • Angst vor Trennung
  • ängstliche Erziehung
  • Angst vor dem Alleinsein
  • Angst vor dem Älterwerden
  • Angst vor Sinnlosigkeit
  • Angst vor Veränderungen
  • Angst vor Stetigkeit
  • Angst vor der Freiheit
  • Angst vor der Niederlage
  • Angst vor Menschen
  • Angst vor der Verantwortung
  • Angst vor einem Ausgeliefertsein
  • Angst vor Schuld
  • Angst davor, vermeintlich jemand getötet zu haben
  • religiöse Angst
  • Angst vor dem Leid
  • Angst vor einem Reifungsprozess

Wichtig an diesem Buch ist, dass die Autoren zeigen, dass zum Beispiel das „Fesseln" von Kindern an die Mutter tatsächlich einer Angst entspringt, allein übrigzubleiben, einsam zu werden, Angst vor Trennung. Diese scheinbare Fürsorge, die in Wirklichkeit ein übermäßiges Binden darstellt, ist letztlich nichts anderes als Angst, die möglicherweise aus eigenen Erfahrungen der Kindheit stammt. Und sie führt dazu, dass diese Angst weitergegeben wird, oft mehrere Kinder einer Familie nicht heiraten wegen dieser scheinbaren Fürsorge. Ich selbst habe erlebt, wie eine eigentlich "pensionierte" Mutter meinte, für ihre längst erwachsenen Töchter täglich das Frühstück machen zu müssen. War damit die Angst verbunden, nicht anerkannt zu sein, diese verlieren zu können? Wollte sie ihre erwachsenen "Kinder" von sich abhängig machen, damit diese sie bis zum Lebensende pflegten? Angst und Egoismus können enorm enge Partner sein!

Eine Mutter - zusammen mit ihrem Mann - meinte, ihrem "Nachwuchs" klarmachen zu müssen, von wem er sich entloben müsse. Entsprach der Schwiegersohn/die Schwiegertochter nicht den Vorstellungen, dem Charakter der Mutter? Wovor hatte sie Angst? Dass die Schwiegertochter nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprach und sich nach und nach von ihr als Schwiegermutter distanzieren würde?

Folgen von „Angst" können wirklich erhebliche Auswirkungen auf das "Gefüge" von Familien ahben - wobei es darauf ankommt, diese Angst erst einmal bei sich (oder anderen) zu erkennen. Als Außenstehende ist es oft doppelt herausfordernd, überhaupt Angst hinter bestimmten Verhaltensweisen zu erkennen und dann eine Hilfestellung zu geben.

In einem ausführlichen Schlusskapitel erklären die Autoren dann Wege zur Bewältigung von Angst. In 10 sehr nützlichen Schritten zeigen sie auf, wie man Angst - welcher Art auch immer - überwinden kann.

  1. Man muss einen festen Entschluss fassen, das Thema anzugehen.
  2. Wer mit der Angst kokettiert, vor ihr flieht oder sich ihr unterwirft, wird sie niemals besiegen.
  3. Um die Angst zu bewältigen, muss man ehrlich sein im Blick auf die Gründe, die dieser Angst zugrunde liegen. Egoismus kann man leicht als Angst tarnen.
  4. Man muss die Angst richtig einordnen. Denn Angst ist an sich gut, weil sie uns schützt. Aber wenn man in einer negativen Erwartungsangst lebst, entspricht das nicht mehr den Gedanken Gottes.
  5. Man muss bereit sein, das Denken und Reden und die Gefühle zu kontrollieren und zu korrigieren.
  6. Wer von seiner Angst befreit werden will, muss anfangen zu danken.
  7. Angstbewältigung geht nicht von selbst, sondern setzt eine Aktion voraus. Man muss sie aktiv angehen und auf Gott zugehen mit der Angst. "Ich habs ja gleich gewusst" - zählt nicht, dann fehlt die Aktion.
  8. Die neue Haltung muss eingeübt, trainiert werden.
  9. Zur Bewältigung der Angst gehört Mut zum Vertrauen.
  10. Der Schlüssel zur Angstbewältigung liegt bei einem selbst - nicht bei anderen. Selbst wenn andere mit als Ursache möglich sind, liegt es an einem selbst, was man mit den jeweiligen Empfindungen macht.

Dieses empfehlenswerte Buch ist heute nur noch gebraucht zu erwerben. Es gibt einen wichtigen Überblick über das Thema Angst und Möglichkeiten, diese zu bewältigen, wobei letzterer Bereich etwas kurz kommt. Das Buch liest sich nicht wie ein Roman - das wäre auch seltsam - gibt aber interessierten „ängstlichen" Personen und Seelsorgern auf diesem Gebiet einen guten Einblick in das Thema. Der Autor ist 1941 in Hiroshima/Japan geboren und nach buddhistischer Tradition aufgewachsen. Mit 18 Jahren bekehrte er sich zu dem Herrn Jesus Christus und ist als freipraktizierender Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aktiv.

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