„Privatsache“ Kleidung – gibt es biblische Richtlinien? – eine Buchbesprechung

Lesezeit: 5 Min.
© edition Nehemia

„Privatsache" Kleidung - gibt es biblische Richtlinien? von David Cloud

In seinem 236 Seiten umfassenden Buch, das 2011 im Nehemia-Verlag erschienen ist und das auf dem englischen Original des Jahres 2007 basiert, behandelt David Cloud zunächst den Ursprung der Kleidung, den wir in 1. Mose 3 nach dem Sündenfall finden. Im zweiten Kapitel zeigt er dann, dass Kleider nicht einfach etwas sind, das man zufällig mal trägt, sondern eine Sprache sprechen, sozusagen ein Kommunikationsmittel von uns Menschen sind. Die Kleidung (und unser Äußeres überhaupt) offenbart nicht so sehr, was wir sind, sondern was wir sein wollen. Dessen sind wir uns oft nicht bewusst.

In einem weiteren Kapitel kann man lesen, welcher Art wesentliche Persönlichkeiten der heutigen Modewelt sind. Alle genannten - Dior, Klein, Versace, Laurent, Galliano, Smith, Westwood, Armani, Hilfiger, Jeffries - gehören im Bereich der Sexualität (Homosexualität, Anzahl an Beziehungen) zu den Menschen, die niemals Vorbild für einen Christen sein können.

In den weiteren Kapiteln weist Cloud darauf hin, dass es nicht allein oder in erster Linie um ein Problem der Männer geht, die ihre Blicke unter Kontrolle haben sollten, sondern auch um eine Gesinnung und Lebensausrichtung von Frauen. Entsprechend führt er einige Bibelstudien durch und weist auf die Bedeutung der Sittsamkeit von Kleidung für Frauen hin. Er unterstreicht auch den Zusammenhang der Weltlichkeit und der Bekleidung des Gläubigen.

In einem gesonderten Abschnitt behandelt er das Thema „die christliche Frau und Hosen", was bis heute unter Christen sehr unterschiedlich gesehen wird. Sein Standpunkt ist deutlich, dass die Unterscheidung von Mann und Frau auch in der Kleidung gesehen werden soll, was für eine Frau zur Folge habe, dass sie keine Hosen trägt. Wenn dies aus beruflichen oder sonstigen Gründen notwendig sei, könne sie noch immer - wie das früher geschehen ist - einen Rock über der Hose anziehen.

Den Schluss des Buches bilden eine größere Anzahl von Fragen & Antworten, Zeugnisse von gläubigen Frauen und eine Umfrage unter Männern zum Thema Frauenkleidung.

Sehr empfehlenswert

Es ist sehr zu begrüßen, dass David Cloud sich dieses wichtigen Themas annimmt. Kleidung und Äußeres gehören zu den Bereichen, die man früher öfter in Predigten oder persönlichen Ansprachen gehört hat, die aber heute kaum noch angesprochen werden. Die Sorge ist groß, dass man dadurch Christen zu nahe tritt. Ist diese Sorge berechtigt? Nein. Denn wer dem Wort Gottes nicht gehorsam sein möchte, wird jeden Punkt, den er möchte, finden, um sich von dem Weg der Bibel abzuwenden.

Ein ganz wichtiger Punkt, den der Autor anspricht, ist die Motivation, diese oder jene Kleidung zu tragen. Es ist gut, dass er uns alle dafür sensibilisiert, dass wir uns über die Wirkung unserer Kleidung Gedanken machen. Der Spruch: „Soll der junge Bruder doch seine Blicke im Zaum halten und nicht auf meinen kurzen Rock schauen", zählt nach der Lektüre der Argumente Clouds nicht mehr.

Gut ist auch, dass er viele Beispiele anführt, die das Thema nachvollziehbar machen. Viele der Antworten auf die gestellten Fragen sind ebenfalls sehr hilfreich. Gerade die Umfrage unter Männern sollte (jüngeren) Schwestern und denen, die Vorbilder für junge Schwestern sein sollten, zu denken geben. Vielleicht ist sich manche Christin nicht bewusst, dass sie „enge" T-Shirts oder allgemein Kleidung trägt und dadurch für jüngere Frauen ein schlechtes Vorbild und für Männer eine Motivation für böse Begierden wird. Frauen haben es selbst in der Hand, welche Gedanken man mit ihnen durch ihr Outfit verbindet. Wie gesagt: Man kleidet sich nach dem, was man für ein Ideal hat. Und damit offenbaren wir, wer wir wirklich sind.

Zu bedenken

Das heißt aber nicht, dass ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen könnte. Beispielsweise empfiehlt der Autor durch seine kirchliche Herkunft - eine Baptistengemeinde - eine allgemeine Kleiderordnung. Das müssen wir als Christen, für welche die Bibel Autorität in allem sein soll, ablehnen. Christliche Freiheit ist eben nicht, sich unter ein neues Gesetz zu stellen. Wir selbst kennen Geschwister, bei denen zum Beispiel jüngere Schwestern einen knielangen Nicht-Jeans-Rock bei Freizeiten mit jungen Mädchen tragen müssen, um Vorbilder zu sein. In der „Gemeinde" müssen lange Kleider etc. getragen werden. In der Freizeit aber darf man auch einen nicht-knielangen Rock tragen usw. Eine solche feste Ordnung passt nicht zu unserer christlichen Zeit, in der Christus das Ende des Gesetzes ist. Mit diesem Thema verbunden ist sich auch die Frage des Gemeindeverständnisses, die David Cloud durch die feste Gemeinde-Kleiderordnung usw. anklingen lässt, die ich nicht teilen kann. Aber das ist in diesem Buch ein untergeordnetes Thema.

Bei der Fülle der Bibelstellen, die David Cloud anführt, kommen leider auch etliche Verse vor, die uns zu einer richtigen christlichen Grundhaltung auffordern - mit Recht. Aber es erschließt sich dem Leser nicht, inwiefern diese Stellen gerade mit Kleidung zu tun haben sollen. Durch künstliche, gewollte (aber nicht immer nachvollziehbare) Anwendungen entwertet der Autor seine gute und richtige Grundausrichtung des Buches leider. Dadurch gibt er denen Argumente an die Hand, die sagen: Das ist eine extreme Auffassung, die solche Stellen nötig hat, die mit dem Thema eigentlich nichts zu tun haben.

Zudem ist der Autor nicht konsequent. Lange Röcke - das ist seine Zielvorstellung. Was aber hat er im Blick auf die einschlägigen Bibelstellen zum Thema Schmuck und lange Haare zu sagen? Dieses Thema, das unbedingt mit in diesen Zusammenhang gehört, bleibt leider praktisch unerwähnt. Gerade das Thema „Haare" wird in der Schrift konkret - konkreter als Kleidung - behandelt. Bei anderen Themen schießt der Autor leider zum Teil über das Ziel hinaus. Mit Extremen, wenn man sie nicht konkret auf Gottes Wort stützt, ist niemand geholfen. Beispiel: „Würdest Du (als Mädchen) in der Stadt mit einem Badeanzug herumlaufen? Nein - also solltest Du es auch nicht im Schwimmbad tun." Hilft eine solche Argumentation weiter?

5. Mose 22

Ein zentrales Problem stellt aus meiner Sicht die Auseinandersetzung mit 5. Mose 22,5 dar. Dieser Vers wird immer wieder zitiert, um zu zeigen, dass die Hose nicht als Kleidung der Frau in Frage kommt: „Eine Frau soll keine Männersachen auf sich haben, und ein Mann keine Frauenkleider anziehen; denn jeder, der dies tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel."

Nun ist unbestritten, wie auch Cloud aufzeigt, dass die Hose als Frauenkleidung aus der frühen Emanzipationsbewegung entstanden ist. Frauen sollten bzw. woll(t)en wie Männer sein. Und zweifellos kann sich eine Frau durch einen Rock, ein Kleid deutlicher von einem Mann unterscheiden als durch eine Frauenhose. Ein Mann übrigens von der Frau durch einen Bart, den er nicht täglich abrasiert ... Das muss der Ausgewogenheit wegen auch gesagt werden.

Während der Autor aber bei den neutestamentlichen Stellen immer wieder den Grundtext bemüht, lässt er diesen in 5. Mose 22 außen vor und wendet diese Vers ohne weitere Analyse auf die heutige Zeit an. Warum? Eine Auseinandersetzung damit würde nämlich zeigen, dass man diese Stelle wirklich auf Kleidung beziehen kann und dass dies auch alle älteren Lexika zur hebräischen Sprache tun, die nicht durch moderne Bibelkritik und Zeitströmungen geprägt sind. Durch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem biblischen Text an dieser Stelle hätte er eine echte Hilfe für den modernen Leser geben können und damit manchen Hinweisen, dieser Vers sei doch alttestamentlich, den Wind aus den Segeln nehmen können.

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