Die Versammlung Gottes (20) – Das Miteinander am Ort II

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Bild: Ertragen

Ohne Demut und Sanftmut ist ein gutes, gemeinschaftliches und freudiges Miteinander unmöglich. Aber wir wissen (nicht zuletzt von uns selbst), dass nicht alle demütig und sanftmütig sind. Dann wollen wir nicht den biblischen Maßstab niedriger hängen. Wir wollen und können dies ja auch im Hinblick auf die Lehre nicht tun. Sondern wir wollen uns dann gegenseitig helfen. Aber nicht nur das. Wir müssen dann auch noch lernen, die anderen zu ertragen - und zwar mit Langmut.

Langmut

Während wir die ersten beiden Eigenschaften ganz besonders im Leben des Herrn gefunden haben, kommen jetzt zwei Charakterzüge, die Gott sich in der Bibel selbst zuschreibt. Der Herr Jesus ist Gott - damit sind es auch seine Züge, die wir finden. Und sie werden tatsächlich auch in Bezug auf Ihn im Neuen Testament genannt! In Römer 9,22 lesen wir, dass Gott „die Gefäße des Zorns“ - also ungläubige Menschen - mit vieler Langmut ertragen hat. In 2. Petrus 3,9 lesen wir von der Langmut des Herrn gegen euch (vermutlich die Juden), weil er nicht will, dass irgendjemand verloren geht. Und auch in den Tagen Noahs zeigte sich die Langmut Gottes, die lange wartete, bis sie das Böse richtete (1. Petrus 3,20).

Langmut hat also eine zeitliche Komponente. Es wird Geduld geübt, eine gewisse Nachsicht - und zwar lange, lange, lange. Langmut hat mit anderen Personen zu tun, während Ausharren mehr Umstände betrifft. Wir wissen, dass wir auch in der Versammlung (Kirche, Gemeinde, alle (!) Gläubigen an einem Ort) sehr unterschiedlich sind. Und das Werk Gottes ist ja nach Epheser 2, dass Er unterschiedlichste Menschen miteinander verbunden - Frieden gestiftet - hat. Und dennoch bleiben wir alle unterschiedlich. Aber nicht nur das, jeder von uns hat nicht nur Eigenarten, sondern auch Schwächen, ja begeht Sünden, fällt, steht wieder auf, fällt wieder … Und hier ist es von so großer Bedeutung, dass wir gegeneinander Langmut üben.

Wir sollten uns niemals der Illusion hingeben, wir müssten mit den anderen langmütig sein. In aller Regel ist es genau umgekehrt: Mit mir muss man langmütig sein, um keinen Streit aufkommen zu lassen. Wie bei der Demut ist es auch bei der Langmut: Wir sollten nicht den anderen darauf hinweisen, dass er langmütiger werden muss. Wir selbst sind gefordert und aufgefordert, diese Eigenschaft Gottes zu praktizieren.

Jemand, der keine Langmut kennt, geht entweder ganz schnell aus jeder Form von Gemeinschaft hinaus, weil ihm irgendetwas missfällt, irgendein Bruder oder eine Schwester „aneckt“. Oder er ist ständig am herumnörgeln und am kritisieren. Oder er resigniert. Oder, was vielleicht am schlimmsten ist: Er verbindet „negative“ Langmut mit „negativer“ Sanftmut und fährt ständig und vielleicht lautstark oder subtil dazwischen. So ist sicherlich kein friedfertiges und einmütiges Miteinander möglich.

Es ist wahr, dass Langmut ein Ende hat. Das sehen wir bei den Zitaten, in denen Gott Langmut übte, sehr deutlich. Es geht bei der Langmut zweifellos auch nicht darum, dass wir Böses ertragen sollen. Es geht um Personen. Aber lasst uns auch bedenken, wie lange Gott bis heute Langmut übt. Wie viel Böses passiert auf der Erde, was hat man alles dem Sohn Gottes angetan. Dennoch hat Gott Langmut geübt. Es scheint so, dass unsere Vorstellungen von Langmut äußerst begrenzt sind. Wir haben sie in aller Regel noch bei weitem nicht ausgeschöpft!

Einander ertragend in Liebe

Aber auch damit ist es noch nicht genug. Wir sollen und müssen uns in Liebe ertragen. Sollen wir Böses ertragen? Nein, niemals! Die Geschwister in Ephesus werden gelobt, dass sie das Böse nicht ertragen haben (Offenbarung 2). Aber wir sollen „einander“ - also Geschwister - ertragen. Ertragen hat mit anstrengung zu tun - das Tragen ist immer eine mühsame Sache. Aber dazu werden wir aufgefordert. Wir sollen die Unterschiede in den Charakteren der anderen ertragen und nicht dagegen vorgehen. Wir sollten nicht meinen, alle sollten so sein wie wir. Das wäre nicht nur langweilig, sondern schlimm. Wenn alle meine Schwächen hätten? Schrecklich!

Nein, wir sollen ertragen. Dabei sind wir uns vor allem bewusst, dass man MICH ertragen muss. Dann wird es vielleicht auch leichter fallen, den anderen zu tragen und zu ertragen. Aber dies sollen wir nicht mit Stöhnen tun, mit Kritik, mit Vorwürfen, mit einem überlegenen Lächeln, oder auch mit einem mitleidigen Lächeln. Nein, wir werden aufgefordert, es in Liebe zu tun. Das bedeutet, dass wir die göttliche Liebe hineinbringen. Und diese Liebe hängt nicht davon ab, dass der Gegenüber liebenswert ist oder einen attraktiven Charakter hat. Sondern diese Liebe erträgt um der Liebe willen. Und: „Die Liebe ist langmütig“ (1. Korinther 13,4).

Wie hat der Herr Jesus während seines Lebens hier auf der Erde seine Jünger ge- und ertragen. Ihren Unverstand. In ihren Fehlern und Sünden - Petrus. Sogar einen Judas hat Er dreieinhalb Jahre ertragen. Das muss unser Beispiel sein, wenn es bei uns darum geht, einander in Liebe zu ertragen.

Zusammenfassung

Wir wollen nicht vergessen: ALLE vier Kennzeichen sollen bei uns ALLEN vorhanden sein. Wir fangen bei uns selbst - ganz persönlich - an. Wenn wir meinen, es käme nur auf das WAS an - das Bewahren der Einheit des Geistes - zeigt uns Gottes Wort, dass es auf das „was“ UND das „wie“ ankommt. Und manchmal ist das „wie“ schwieriger als das „was“. Aber Gott gibt seine Kraft, damit wir auch in der rechten Weise miteinander umgehen.

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